Weser-Kurier 12.12.2023
Mein Sportjahr
Der WM-Titel für den Papa
Dennis Schott
S
ZUR
PERSON
Jana
Müller-Schmidt (58) hat
einmal mehr eine sehr erfolgreiche Saison hinter sich gebracht. Die
Kugelstoßerin des VSK Osterholz-Scharmbeck holte in ihrer
Altersklasse sämtliche Titel - von der Landes- bis zur
Weltmeisterschaft.
portlich war es ein ziemlich erfolgreiches
Jahr. Ich habe alle Titel geholt, die man holen kann. Landesmeister,
Norddeutscher Meister, Deutscher Meister, Europameister und
Weltmeister bin ich geworden. An den Weltmeistertitel denke ich
besonders zurück, nicht unbedingt, weil es der sportlich größte
Erfolg war, sondern weil er mich an meinen verstorbenen Vater
erinnert. Den Titel habe ich meinem Papa gewidmet. Sein
Gesundheitszustand verschlechterte sich vor den Weltmeisterschaften
rapide und damit er eine Aufgabe hatte, schickte ich ihm Videos, die
er kommentieren sollte.
Bis ich 18 Jahre alt war, war er mein Leichtathletik-Trainer. Gleich der erste Stoß auf 13,55 Meter brachte mir nun den Titel ein. Es war ein magischer Moment. Es schien, als würde die Zeit still stehen, es war ganz ruhig. In diesem Stoß war alles, was ich geben konnte. Aus dem polnischen Torun bin ich mit dem WM-Titel im Gepäck direkt zu meinem Vater gefahren und habe ihm die Medaille umgehängt. Er scherzte noch, dass ich die 14 Meter, die ich mir eigentlich vorgenommen hatte, verpasst hätte. Dann schaute er mich stolz an und nickte. Eine Woche später ist er gestorben.
Der Rest des Jahres lief nicht so besonders, auch wenn ich noch weitere Titel holen sollte. Die Saison war lang und mir fehlte die rechte Motivation. Auf die Senioren-Europameisterschaft in Pescara hatte ich eigentlich auch keine Lust, habe mich dann aber doch vier Tage vor Meldeschluss angemeldet. Ich hatte mir nicht viel vorgenommen. Zwischenzeitlich hatte ich mich bei den Landesmeisterschaften zwar immerhin etwas verbessert, besonders motiviert war ich trotzdem nicht, nach Italien zu fahren. Vor Ort habe ich mein altes Handy gefunden und hörte mir die Sprachnachrichten meines Papas an. Das half mir, trotz Kreislaufproblemen bei 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit habe ich den EM-Titel geholt. Gerade einmal zwei Zentimeter Vorsprung hatte ich auf die Zweitplatzierte.